OOChD

Oberoffizier Chemische Dienste (OOChD)

 

 
Gliederung:

 

 
Einleitung / Begriffsbestimmung
 
1.      Chemische Sicherstellung
 
2.      „Chemiker“ im PR-4 – Strukturmäßige / Nichtstrukturmäßige
2.1. Strukturmäßige Angehörige des Chemischen Dienstes
2.2. Nichtstrukturmäßige „Chemiker“
2.3. NGKCA
2.4. NAG
 
3.      Formulare / Vordrucke / Tabellen
3.1. KCB – Meldeblock
3.2. KCB – Nachweise
3.3. Tabellen zur Auswertung von Schlägen mit MVW (Beispiele)
 
4.      Anmerkungen

Einleitung / Begriffsbestimmung

Der OOChD war dem Regimentskommandeur direkt unterstellt. Er war für die unmittelbare Organisation und Umsetzung der Maßnahmen der chemischen Sicherstellung im Truppenteil verantwortlich. Er führte im Namen des Regimentskommandeurs die chemischen Einheiten, den Zug Kernstrahlungs – und chemische Aufklärung (ZKCA) und den Zug Spezialbehandlung (ZSB). Diese waren unter Garnisionsbedingungen der Stabskompanie angegliedert (siehe auch Struktur StK). Er war der fachliche Vorgesetzte aller Angehörigen des chemischen Dienstes im Regiment. Unter Gefechtsbedingungen handelte er auf bzw. mit dem Gefechtsstand des PR-4. Als bewegliche Führungsstelle nutzte er zusammen mit dem OOPiW eine Funkstation R – 145.
 
In der NVA wurde der Chemische Dienst zu den Spezialtruppen gezählt. Zwei komplexe Begriffe waren unmittelbar mit der Tätigkeit des OOChD verbunden, der Schutz der Truppen vor Massenvernichtungswaffen (MVM) und die chemische Sicherstellung. Der Begriff der MVW beinhaltete die Kernwaffen, chemische Kampfstoffe, biologische (bakterielle) Kampfmittel sowie Brandwaffen. In den 80iger Jahren wurde der Fokus auch mehr und mehr auf die möglichen Auswirkungen und die Beseitigung der Folgen der Freisetzung von Industriegiften und Havarien mit Kernanlagen gerichtet. Ursache für diese neue Schwerpunktsetzung war vor allem auch in folgenden die Katastrophen zu suchen:
1. Chemische Sicherstellung:

In der DV 046/0/001, Gefechtsvorschrift der Landstreitkräfte Division, Brigade, Regiment, wurden die Schwerpunkte zur Chemischen Sicherstellung als Handlungsgrundlage verbindlich festgeschrieben.
„Die chemische Sicherstellung wird mit dem Ziel organisiert und verwirklicht, die notwendigen Voraussetzungen für die Truppen zur Erfüllung der ihnen gestellten Aufgaben unter den Bedingungen der Aktivierung, Vergiftung und Verseuchung zu schaffen, Truppenteile (Einheiten) und Objekte durch Nebel und Aerosole zu tarnen, ihren Strahlenschutz zu gewährleisten sowie dem Gegner durch den Einsatz von Brandwaffen Verluste zuzufügen“

Die chemische Sicherstellung umfasste:
1.     die Ortung von Kernwaffendetonationen;
2.     die Kernstrahlungs-, chemische und unspezifische bakteriologische (biologische) Aufklärung (KCBA), die
        Teilnahme an der Schaffung von Gassen in chemischen Sperren (an der Vernichtung oder
        Unschädlichmachung chemischer Minen des Gegners);
3.     die rechtzeitige und geschickte Nutzung der persönlichen Schutzausrüstung (PSA) und der Mittel des
        kollektiven Schutzes;
4.    die Dosimetrie sowie die Kernstrahlungs- und chemische Kontrolle;
5.    die Spezialbehandlung (SB) von Truppenteilen (Einheiten), von Bewaffnung, Kampf- und anderer Technik,
       deren Bedienungen ausgefallen sind, von Mu
nition und anderen m
ateriellen Mitteln sowie die Entgiftung und
       Entseuchung von Geländeabschnitten, Straßen und Anlagen;
6.   die Durchführung von Maßnahmen des Strahlenschutzes;
7.   den Einsatz von Nebelmitteln und Aerosolen sowie
8.   von Brandwaffen durch Truppenteile (Einheiten) der chemischen Truppen.
Alle Maßnahmen der chemischen Sicherstellung waren auf allen Ebenen der Truppenteile (Einheiten) und mit den vorhandenen Mitteln zu verwirklichen. Komplizierte und besonders spezifische Aufgaben der chemischen Sicherstellung, die eine besondere Ausbildung des Personalbestandes und den Einsatz von Spezialtechnik erforderlich machten, waren durch Truppenteile (Einheiten) der chemischen Truppen durchzuführen. Die chemische Sicherstellung wurde auf der Grundlage des Entschlusses des Regimentskommandeurs, seiner Anweisungen und der Anordnung des übergeordneten Stabes organisiert. Bei der Organisation der chemischen Sicherstellung hatte der Regimentskommandeur anzuweisen: auf welche Elemente der Gefechts-(Marsch) Ordnung, in welchen Richtungen und auf welche Gefechtsaufgaben die Hauptanstrengungen zur Ortung von Kernwaffendetonationen, zur Kernstrahlungs- und chemischen Aufklärung, zur Durchführung der Spezialbehandlung der Truppen (Objekte) und zur Tarnung durch Nebelmittel und Aerosole zu konzentrieren sind; die Ordnung und die Zeiten der Erfüllung der Aufgaben (Maßnahmen) der chemischen Sicherstellung; die bereitzustellenden Kräfte und Mittel die grundlegenden Aufgaben der Einheiten der chem. Truppen des Regiments und der eventuell zugeteilten Einheiten der chem. Truppen, die Reihenfolge und die Termine der Versorgung der Einheiten mit chem. Ausrüstung. Der Stab des Regiments war gemeinsam mit dem OOChD verantwortlich, für die Organisation und Führung der Maßnahmen der chem. Sicherstellung sowie die Kontrolle ihrer Durchsetzung in den Truppen. Die chem. Sicherstellung war unmittelbar durch den OOChD des Regiments zu organisieren.

 

 

 
1. Die Ortung von Kernwaffendetonationen
wurde durchgeführt, um Angaben über folgende Parameter zu erhalten: Koordinaten der Nullpunkte (Detonationszentren), Detonationsarten, – stärken, -zeiten. Diese Angaben dienten zur Bestimmung der möglichen Verluste, der Räume der Zerstörungen, Bränden und Überschwemmungen sowie des Grades der Aktivierung des Geländes, des Luftraumes und des Seegebietes. Die Ortung von Kernwaffendetonationen wurde durch Detonometrie- sowie Kernstrahlungs- und chemische Aufklärungseinheiten (-truppenteile) verwirklicht.

2. Die KCBA wurde organisiert zur rechtzeitigen Feststellung der Aktivierung und Vergiftung sowie auf Anzeichen der Anwendung von bakteriologischen (biologischen) Waffen durch den Gegner und für die Sicherstellung von Informationen für die Kommandeure und Stäbe mit Angaben über die Kernstrahlungs- und chemische Lage im Gelände und im Luftraum. Die Kernstrahlungs- und chemischen Aufklärungseinheiten erfüllten ihre Aufgaben in Form der Kernstrahlungs- und chemischen Beobachtung (KCB) oder der Kernstrahlungs- und chemischen Aufklärung (KCBA).
Dabei handelten sie selbständig oder im Bestand allgemeiner Einheiten, die zur Aufklärung oder Sicherung eingesetzt waren. Beim Einsatz von MVW durch den Gegner konnten bis zum Erhalt der Angaben über die realen Kernstrahlungs- und chemischen Lagen von den Aufklärungstruppenteilen (- einheiten) die entsprechenden Orientierungswerte durch Prognose (analytische Auswertung oder Vorausberechnung) bestimmt werden. Für die Aufklärung chemischer Sperren, das Schaffen von Gassen in diesen Sperren sowie für die Unschädlichmachung chemischer Minen (Ladungen) sollten Truppenteile und Einheiten der chemischen und Pioniertruppen herangezogen werden.
Die dargestellten Hinweiszeichen sind von Ende der 50´er Jahre. Eine Aktivierung wurde zur damaligen Zeit auch als Kampfstoff bezeichnet. Behelfszeichen sollte es in der Lehre in den nächsten Jahren nicht mehr geben.
Warum eigentlich nicht mehr?

3. Die rechtzeitige und geschickte Nutzung der PSA und der Mittel des kollektiven Schutzes gewährleisteten einen zuverlässigen Schutz des Personalbestandes vor der Schädigung durch chemische Kampfstoffe oder bakteriologische (biologische) Mittel, vor dem Eindringen radioaktiver Stoffe in den Organismus sowie vor der Aktivierung der Hautoberfläche und verringerte den Schädigungsgrad durch Kernwaffen.

 

Zur rechtzeitigen Nutzung der PSA musste der Personalbestand die Schutzmasken und Respiratoren ständig in Marschlage haben; die Schutzumhänge, Schutzstrümpfe (Schutzanzüge) und Schutzhandschuhe haben sich bei Handlungen in Fahrzeugen im Fahrzeug und bei Handlungen außerhalb von Fahrzeugen am Mann befunden. Eine geschickte Nutzung der PSA und der Mittel des kollektiven Schutzes wurde erreicht durch: das ständige Training des Personalbestandes in der Nutzung dieser Ausrüstung und Mittel; die exakte Bestimmung der Abschnitte und der Zeit für das Anlegen und für das Ablegen der PSA; die Festlegung des Regimes und der Bedingungen für die Anlagen, die mit Mitteln des kollektiven Schutzes ausgerüstet waren, und der Ordnung der Nutzung der Mittel des kollektiven Schutzes vor MVW in Kampf- und anderer Technik.

4. Die Dosimetrie sowie die Kernstrahlungs- und chemische Kontrolle wurde mit dem Ziel geführt, Angaben für die Beurteilung der Kampffähigkeit der Truppenteile (Einheiten) und für die Bestimmung des Umfangs der Spezialbehandlung zu erhalten. Sie umfasste die Feststellung der vom Personalbestand aufgenommenen Kernstrahlungsdosis und des Grades der Aktivierung und Vergiftung des Personalbestandes, der Bewaffnung, Kampf- und anderer Technik, von Munition und anderen materiellen Mitteln sowie von Objekten.

D
ie Dosimetrie sowie die Kernstrahlungs-
und chemische Kontrolle wurde durch den OOChD und dem Regimentsarzt organisiert und wurde durch die KCBA-Einheiten, durch Instrukteure Chemische Dienste und radiologisch-chemische Labore sowie durch speziell ausgebildete Armeeangehörige durchgeführt.
 
5. Die Spezialbehandlung der Truppenteile (Einheiten)  beinhaltete die Durchführung der Entaktivierung, Entgiftung und Entseuchung des Personalbestandes, von Bewaffnung, Kampf- und anderer Technik, von Munition und anderen materiellen Mitteln und bei Notwendigkeit die Durchführung der sanitären Behandlung des Personalbestandes. Die Spezialbehandlung wurde durch den Stab organisiert und hatte durch Kräfte und Mittel des Truppenteils (Einheiten) zu erfolgen. Für die Durchführung von komplizierten Aufgaben waren die Kräfte und Mittel der chemischen Truppen vorgesehen. Die Spezialbehandlung konnte teilweise oder vollständig erfolgen. Die teilweise Spezialbehandlung wurde auf Befehl des Kommandeurs der Truppenteile (Einheiten) organisiert und durch den Personalbestand im Verlaufe der Erfüllung der Gefechtsaufgabe durchgeführt. Bei einer Vergiftung musste sie unverzüglich durch den gesamten Personalbestand erfolgen.

Die vollständige Spezialbehandlung der Truppenteile (Einheiten) erfolgte mit Erlaubnis des Divisionskommandeurs (des Regimentskommandeurs) in der Regel nach Erfüllung der Gefechtsaufgabe in durch die Truppenteile (Einheiten) zu beziehenden oder ihnen neu zugewiesenen Räumen. Sie umfasste die vollständige Entgiftung, Entaktivierung und Entseuchung von Bewaffnung, Kampf- und anderer Technik, von Munition und anderen materiellen Mitteln und bei Notwendigkeit die sanitäre Behandlung des Personalbestandes im Rahmen der hygienischen Maßnahmen.
 
Die vollständige Entaktivierung, Entgiftung und Entseuchung von Bewaffnung, Kampf- und anderer Technik sowie von Vorräten aller Arten materieller Mittel, die Entgiftung und Entseuchung von Geländeabschnitten (Schaffung von Gassen in ihnen), von Straßen und Anlagen sollten durch Spezialbehandlungstruppenteile (-einheiten) der chemischen Truppen und die Entaktivierung von Geländeabschnitten sowie die Aufbereitung von befallenen Wassers durch Pioniereinheiten durchgeführt werden.
6. Die Durchführung von Maßnahmen des Strahlenschutzes hatte das Ziel, den Personalbestand vor der schädigenden Wirkung ionisierender Strahlung und die Umwelt vor der Verunreinigung bei der Anwendung radioaktiver Stoffe sowie anderer Quellen ionisierender Strahlung zu schützen. Sie hatte ständig zu erfolgen, sowohl im Frieden als auch im Krieg. Die Verantwortung für die Gewährleistung des Strahlenschutzes trug der Regimentskommandeur; die unmittelbare Führung der Maßnahmen des Strahlenschutzes oblag dem OOChD und dem Regimentsarzt.
 
7. Der Einsatz von Nebelmitteln und Aerosolen wurde mit dem Ziel organisiert, den Gegner zu blenden, die eigenen Truppen und Objekte zu tarnen, sie vor der Lichtstrahlung von Kernwaffendetonationen und vor Laserwaffen zu schützen sowie den Aufklärungs- und Waffenleitsystemen des Gegners entgegenzuwirken. Nebelmittel und Aerosole sollten im Komplex mit anderen Maßnahmen der Tarnung angewandt werden.
 
8. Der Einsatz von Brandwaffen durch Truppenteile (Einheiten) der chemischen Truppen war für die Bekämpfung der lebenden Kraft des Gegners, die Vernichtung seiner Technik, seiner Vorräte an materiellen Mitteln und die Schaffung von Bränden in den Handlungsräumen des Gegners vorgesehen. Brandwaffen sollten in der Regel massiert in der Hauptrichtung eingesetzt werden: Im Angriff – beim Durchbruch durch die Verteidigung befestigter Räume und bei der Einnahme größerer Ortschaften (Ballungsgebieten); in der Verteidigung – bei der Abwehr von Sturmangriffen des Gegners.

2. „Chemiker“ im PR-4- Strukturmäßige / Nichtstrukturmäßige

2.1. Strukturmäßige Angehörige des Chemischen Dienstes waren:

– der OOChD – im Stab
– der Schirrmeister ChD – im Stab
– der Lagerleiter ChD – im Stab
– die Instrukteure ChD – ein Instrukteur je Panzerbataillon
– der ZKCA und der ZSB – der StK angegliedert

2.2. Nichtstrukturmäßige „Chemiker“
  • Nichtstrukturmäßige Gruppen der Kernstrahlungs-, chemischen und unspezifischen bakteriologischen (biologischen) Aufklärung (NGKCA)
  • Nichtstrukturmäßige Auswerte- und Rechengruppe (NAG)

2.3. NGKCA
 
Die NGKCA`s wurden in allen Kompanien/Batterien aller Waffengattungen und Dienste gebildet. Sie hatten eine spezielle Ausrüstung und erhielten eine entsprechende Zusatzausbildung. Sie bestanden in der Regel aus einer Panzerbesatzung / einer Gruppe (ein Unteroffizier, 2-3 Soldaten). Die spezielle Ausrüstung der NGKCA bestand aus dem sogenannten KC- Aufklärungssatz 216 Ch.
 Der Satz umfasste:

  • 1 x Kernstrahlungsmessgerät RWA 72 K
  • 1 x Kampfstoffanzeiger WPChR
  • 4 x Markierungssatz Ch (je 20 Markierungsfähnchen Gelb)
  • diverse Vordrucke zur Meldung von Ergebnissen und Markierung im Gelände
Insgesamt waren im Panzerregiment fast 20 NGKCA einsatzbereit.

2.4..NAG

Das Vorhandensein von einer Vielzahl von Angaben zur KCBA und KCB durch strukturmäßige und nichtstrukturmäßige Kräfte machte eine Bündelung und gezielte Nutzung dieser Angaben auf allen Kommandoebenen, in allen Teilstreitkräften, den Grenztruppen und im Territorium notwendig. Mit Einführung der ersten Auswerteorgane des chemischen Dienstes am 01.12.1976 wurde eine entsprechende Arbeitsstruktur geschaffen.
Die Aufgaben, Strukturen, Informationswege usw. wurden in der DV 053/0/005 (VVS A 372 428), Einsatz der Kernstrahlungs-, chemischen und biologischen Auswerteorgane, vom 01.06.1981, festgelegt. KCB- Auswerteorgane wurden ab der Kommandoebene Truppenteil (TT), Gleichgestellte und Wehrkreiskommando (WKK) als nichtstrukturmäßige Elemente gebildet oder sie waren als ein ständiges Strukturelement laut Stellen-und Ausrüstungsplan (STAN) vorhanden.
Zu den KCB – Auswerteorganen gehörten:
 
  – NAG: Nichtstrukturmäßige AuswerteGruppe
in TT/Gleichgestellten (z.B. PR-4), in den WKK`s
  – RAG: Rechen- und AuswerteGruppe
im Verband (z.B. 4.MSD)/Gleichgestellte/WGS (Wechselgefechtsstand) und der RFS (Rückwärtige Führungsstelle)  
    der Armee, in den Wehrbezirkskommandos (WBK`s) )
  – RAST: Rechen- und AuswerteSTelle
auf dem Gefechtsstand der Armee (war im Bestand der BChA/MB)
  – ARIG: Auswerte-, Rechen- und InformationsGruppe
in den Kommandos der Teilstreitkräfte, Grenztruppen, im Territorialen Militärbezirk
  – ARIS: Auswerte-, Rechen- und InformationsStelle im MfNV (ARIS-2/Storkow)
An dieser Stelle muss man sicher einen kleinen Exkurs in Entwicklungen und Ereignisse der 70`iger und 80`iger Jahre machen. Diese sollten nachhaltig Veränderungen in den Einsatzgrundsätzen, Strukturen, Ausrüstung, Forschung, Ausbildung bis hin zu einzelnen neuen Formulierungen im Militärwesen und hier vor allem auch im Chemischen Dienst der NVA mit sich bringen.
 
  • Die Arsenale an MVW wurde in Quantität und Qualität immer gewaltiger
  • Die zwei Katastrophen mit Industriegiften von Seveso und Bhopal forderten im Frieden schon tausende Tote, Verletzte und Verstümmelte und schwer beschreibbare Umweltschäden
  • Der atomare Super – GAU von Tschernobyl erschütterte die Welt nachhaltig
  • Ein Umdenken und erste Schritte in Richtung Abrüstung von MVW begann, aber an anderen, neuen Mittel wurde schon lange geforscht und in die Truppen eingeführt (Laser, Binärwaffen, Neutronenwaffen, Uranmunition usw.)
  • Die Informationstechnologie wuchs aus ihren Kinderschuhen heraus.
      (von Informationsbereitstellung hin zur Informationsverarbeitung in fast Echtzeit mit verschiedenen Varianten zur   
       schnelleren Entscheidungsfindung)
 
Zurück zu den KCB – Auswerteorganen.
 
Die Hauptaufgabe der KCB – Auswerteorgane lag in der Erfassung, Bearbeitung und Weiterleitung von Anfangsangaben
 
  • über den Einsatz von MVW und Brandwaffen durch den Gegner,
  • nach Havarien und Zerstörung von Kernanlagen
  • nach Freisetzung von Industriegiften infolge Zerstörung und Havarien.
 
Die Hauptzielstellung war kurz zusammengefasst: Schaffung einer umfassenden Grundlage für die Lagebeurteilungen und die Erarbeitung von Einsatzvorschlägen für die Kommandeure für dessen Entschlussfassung.

– Alarmieren – Warnen – Wirkung von MVW mindern oder ganz ausschließen –


 
Im „Dienstvorschriften – Deutsch“ hieß es dann zur Auswertung der chemischen Lage      (K 053/3/001 / VVS A 372 441 – 01.09.1981):
Begriffsbestimmung:
 
Ermittlung / Auswertung „…die nach dem Einsatz von chemischen Waffen durch den Gegner oder die Freisetzung von Industriegiften infolge Zerstörungen oder Havarien in Betrieben, Einrichtungen und Anlagen der Volkswirtschaft entstehenden Bedingungen, die einen bestimmten Einfluss auf die Gefechtsbereitschaft der Führungsorgane und Truppen sowie auf die Einsatzbereitschaft der Einsatzkräfte, auf die Produktionsfähigkeit der Volkswirtschaft sowie die Arbeitsfähigkeit und das Leben der Be
völkerung
haben.“
Die Auswertung der chemischen Lage erfolgte auf der Grundlage des oben erwähnten Kataloges.
Bestimmt wird die chemische Lage durch folgende Faktoren:
 
  • die Ausmaße und den Charakter des Einsatzes chem. Waffe durch den Gegner oder der Freisetzung von Industriegiften
  • die Lage und Handlungen der Führungsorgane und Truppen sowie der Einsatzkräfte und der Bevölkerung
  • die meteorologischen und topografischen Bedingungen.

 

Aufgrund der entstandenen chemischen Lage kann es erforderlich sein:

 
  • Gefechtsaufgaben zu präzisieren oder zu ändern
  • Unterbringungsräume zu wechseln
  • rückwärtige Einrichtungen zu verlegen oder die Bevölkerung zu evakuieren
  • die PSA und die kollektiven Schutzeinrichtungen langandauernd und pausenlos zu nutzen
  • die Verwendung von Lebensmittel und Wasser zu verbieten, wenn Verdacht auf Vergiftung besteht
  • Arbeiten zum Beseitigen der Folgen des Einsatzes chem. Waffen oder der Freisetzung von Industriegiften durchzuführen
  • Schutzausrüstung auszuwechseln oder aufzufüllen
 
Anfangs- bzw. Ausgangsangaben für die Beurteilung der chemischen Lage sind:
 
  • Zeit des Einsatzes bzw. der Freisetzung
  • Kampfstoffart / Kampfstofftyp
  • Einsatzmittel und Einsatzmetoden
  • Menge des freigesetzten Industriegiftes
  • Koordinaten des Raumes des Einsatzes oder des Ortes der Freisetzung von Industriegiften
  • meteorologische Angaben (Bodenwetter)
Auf der Grundlage der Anfangs- und Ausgangsangaben wurde mit der analytischen Auswertung an Hand von vorhandenen Katalogen und Tabellen begonnen.
Folgende Parameter bildeten dabei den Schwerpunkt:
 
  • Ausmaße des Raumes des Einsatzes, der Raum der Geländevergiftung
  • Ausbreitungstiefe der primären Kampstoffwolke und der
  • sekundären Kampfstoffwolke
  • mögliche Verluste der Führungsorgane und Truppen sowie der Bevölkerung in den Zonen der Vergiftung
  • Anzahl der vergifteten Personen, Bewaffnung und Ausrüstung
  • Sesshaftigkeit der Chemischen Kampfstoffe / Industriegifte
  • Zeit des Eintreffens der ChKS und ihre Wirkungsdauer in verschiedenen Entfernungen vom Raum des Einsatzes
  • Vergiftungsgrad von offenen Gewässern.

 

Personeller Bestand der NAG:
Der Bestand konnte in Abhängigkeit von der konkreten Lage unterschiedlich sein. In der „Übungspraxis“ hatte sich im PR-4 folgende Zusammensetzung bewährt:
  • StSC
  • OOChD
  • OOPiW
  • OOOA
  • Regimentsarzt
  • ein Offizier Bereich StKTB
  • ein Offizier Bereich StKRD
  • in Offizier Bereich StKPA
  • ein operativer Offizier
Bei Notwendigkeit wurden weitere Spezialisten in die Arbeit der NAG einbezogen.

Grundlage der Arbeit bildeten die vorbereiteten topographischen Karten mit der aktuellen Lage der Truppen sowie entsprechende Kataloge mit den notwendigen Tabellen und Hinweisen zur Auswertung.

 

Eigentlich war es ja dann schon eine kleine Bibliothek. Hier eine kleinere Zusammenstellung entsprechender Dokumente die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt:
Quelle: http://www.chemischer-dienst-nva.de/geschichte

 
 
Die entsprechen
eingehenden Meldungen und sonstige Info
rmationen wurden ausgewertet, Ergebnisse aus Tabellen ermittelt und anschließend in die vorhandenen Karten mit entsprechenden taktischen Zeichen / Graphiken eingezeichnet. Der Arbeitsablauf war in einem Zyklogramm nach Arbeitsschritten und Zeiten organisiert.
Eigene Zusammenfassung einiger taktischer Zeichen
Beispiele der graphischen Darstellung aus einem Katalog:
            Quelle: http://www.nva-forum.de/nva-board/index.php?showtopic=7388 User. maggysimpson

Leistungsmöglichkeiten der KCB – Auswerteorgane:
Im Normenkatalog für die Gefechtsausbildung der chemischen Truppen waren einige dieser Normen enthalten. Hier war Alles enthalten, was sich in Arbeitsschritten und Zeiten ausdrücken ließ, Normen! Die aktuellste Ausgabe war von 1988 und hatte es dann auf 235 Seiten gebracht.
Der Normenkatalog war ein wichtiger Gradmesser der Gefechtsbereitschaft in allen Einheiten. Er war tägliches Arbeitsmittel bei der Ausbildung, bei Überprüfungen und Inspektionen. So finden wir hier auch die Norm 24: Auswertung von Schlägen mit MVW, im Teil 2 der Taktikausbildung der Chemischen Truppen. Die Norm gab es erst ab der RAG, also ab Ebene Division, aufwärts.
 

In der Praxis wurde mit folgenden Leistungsmöglichkeiten gerechnet:

1. Zeiträume für das Erfassen und Auswerten der Meldungen oder Informationen nach Beginn eines Kernwaffenschlages (KWS)

  • Regiment                30 – 50 min
  • Division                   1,5 – 2,5 h
  • Armee                     3 – 4 h
  • Front                        4 – 6 h

2. Analytische Auswertung
  – RAST                       60 – 70 Kernwaffendetonationen (KWD) pro h
                                      30 – 40 Chemische Überfälle / h
  – RAG                         10 – 12 KWD/h
  – ARIG                         bis 30 Luftdetonationen/h oder
                                      bis 6 Erddetonationen/h oder
                                      bis 10 chemische Überfälle/h oder
                                      bis 40 Meldungen zur KCB – Lage
                                              

3.Formulare / Vordrucke / Tabellen

Der folgende Abschnitt enthält einige Vordrucke des chemischen Dienstes. Auch an dieser Stelle wird keine Vollständigkeit angestrebt. Es ist ein kleiner Einblick in die doch notwendige Flut an Papier. Überblick und Durchsicht waren hier schon gefragt. Die Ausbildung zur Nutzung hat so manchen Ausbilder einige graue Haare mehr gekostet.
3.1. KCB – Meldeblock

 

Der Meldeblock für KC – Aufklärungskräfte (KCB-Meldeblock Nummer NVA 53603) bildete die Basis sämtlicher Meldungen zur KCB – Lage. In den Hinweisen zur Nutzung des KCB – Meldelockes heißt es:

„…1. Mit dem KCB – Meldeblock können Meldungen/Informationen über den Einsatz von Massenvernichtungswaffen und Brandwaffen, die Ergebnisse der KCB – Aufklärung, die Freisetzung von Industriegiften, die Dosisaufnahme, das Bodenwetter sowie Verluste /Zerstörungen/Sperren/Überschwemmungen entsprechend den festgelegten Kennziffern übermittelt werden. Außerdem können Probenentnahmemeldungen angefertigt und zusammen mit der Probe weitergeleitet werden.“ Es war schon eine kleine Wissenschaft für sich mit diesem Instrument, auch ohne Einwirkung durch den eventuellen Gegner, zu arbeiten.

Vordrucke zur Kennzeichnung von genommenen Proben:

 


3.2. KCB – Nachweise
In der NAG und den anderen Auswerteorganen wurden die einzelnen Meldungen zur weiteren Bearbeitung in verschiedene Nachweise übertragen.

 



3.3. Tabellen zur Auswertung von Schlägen mit MVW (Beispiele)

 

In der Vielzahl von Katalogen gab es für fast alle Varianten der unterschiedlichsten Ereignisse Tabellen zur Auswertung der Folgen auf Mensch, Technik, Gebäude, Gelände, Wasser, Luft und was es sonst noch möglich war. Für die tägliche Arbeit wurden Behelfsmittel und Zusammenfassungen geschaffen und eingesetzt.


Beispiele von Tabellen der Auswertung:

Taktiklineal der Chemischen Truppen zur Auswertung von Schlägen mit MVW:

 

 

4. Anmerkungen
Die Geschichte der „Chemiker“ soll in Zukunft fortgeschrieben werden. Vielfältig waren die täglichen Aufgaben und die ständig neuen Herausforderungen in allen Bereichen. Schutzausbildung war aber auch immer mit Schutzmaske, Schutzumhang, Schweiß, Dreck und vor allem mit dem Unsichtbaren, mit dem „wird ja schon nicht so schlimm sein“ verbunden. Das Unsichtbare war aber Realität. Über diese Realität soll berichtet werden.