Unsere Friseuse

 

Unsere Friseuse

   Autor:  Heidi Leinhos

           in  Zusammenarbeit mit Oberst a.D. Wolfgang Soldan

Der militärische Haarschnitt wurde in der Innendienstvorschrift DV 010/0/003 festgelegt:

 

 

Um die Forderungen der Dienstvorschrift umsetzen zu können, war in fast allen Kasernen der NVA eine Außenstelle einer Friseur-PGH (Erklärung siehe unten) untergebracht. Dies war auch im PR-4 so. Unsere Friseuse hatte eine große Bedeutung als ein Faktor der militärischen Disziplin und Ordnung. Die Forderung unserer Innendienstvorschrift nach einem kurzen militärischen Haarschnitt wurde kompromisslos umgesetzt. Viele Einheitskommandeure ließen sich vor Ausbildungshöhepunkten als erster die Haare schneiden, bevor alle Angehörigen der Einheit diese Prozedur über sich ergehen lassen mussten. Unsere Armeeangehörigen achteten jedoch auch eigenständig auf ihren Haarschnitt. Dies traf insbesondere auch vor Ausgangs- und Urlaubsantritt zu. Die Kontrollen durch den Hauptfeldwebel und am KdL waren gefürchtet.

Eine Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) war in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) eine sozialistische Genossenschaft, deren Mitglieder Handwerker oder Gewerbetreibende mit Eintrag in der Handwerks- oder Gewerberolle waren. Ab 1955 schlossen sich Handwerker und/oder Gewerbetreibende in den PGH zusammen um die Produktivität zu steigern, bessere Investitionsmöglichkeiten zu erhalten und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten zu verbessern. Der Zusammenschluss beruhte auf einer freiwilligen, gemeinschaftlichen/kollektiven Arbeit innerhalb einer Produktionsgenossenschaft mit dem Ziel, durch den Zusammenschluss ein Gemeineigentum an den Produktionsmitteln zu bilden. 

 

Die genossenschaftliche Arbeit sollte durch den Zusammenschluss in eine PGH zu einer erhöhten Rationalität und Effektivität gegenüber einer individuellen Produktion führen. Dieser theoretische Effekt wurde höchstens teilweise erreicht, da andererseits der zwangsweise Beitritt zur PGH auch zu einer sinkenden Motivation führte, die Arbeitsziele zentral diktiert wurden und die einzelnen Mitglieder der PGH auch bei großer persönlicher Anstrengung keinen größeren finanziellen Vorteil hatten. Aufgrund der zentralen Lenkung war es auch nicht möglich, kurzfristig z.B. auf eine größere Nachfrage nach einer bestimmten Dienstleistung zu reagieren.

 

Während sich Fleischer und Bäcker oder Schmiede und Schlosser kaum zu PGH`s zusammenschlossen, war das bei Friseuren, Autoreparatur – Werkstätten, Bauhandwerksbetrieben gang und gäbe. So war es auch in der Garnisonsstadt Gotha. Zunächst bildete sich die Friseur PGH „Chic“, die dann 1958 in die PGH „Modischer Charme“ umgebildet wurde.Die oben stehenden Aussagen beruhen auf den nachstehenden Quellen:

                                                 http://www.ddr-wissen.de/wiki/ddr.pl?PGH 

http://de.wikipedia.org/wiki/PGH

Im Panzerregiment – 4 war eine Außenstelle der PGH „Modischer Charme“ im Stabsgebäude untergebracht. Leider konnten wir nicht ermitteln, ab wann dies der Fall war. Diese Außenstelle war immer mit einer Arbeitskraft besetzt. Seit 06.01.1976 bis 03.10.1990 arbeitete unsere Friseuse Heidi Leinhos in der Außenstelle der PGH „Modischer Charme“ im PR-4. An den Tagen der Neueinstellung (April und Oktober) mussten mindestens 150 Armeeangehörige an einem Tag bedient werden. Deshalb erhielt an diesen Tagen Frau Leinhos Unterstützung durch in der Regel 2 bis 3 Azubi der PGH.

 

Im Lazarett war der Friseursalon Thein tätig. Dieses Arbeitsbereich wurde später aufgelöst.

 

Unser Friseurgeschäft war anfangs im „kleinen Stabsgebäude“ untergebracht und durch einen Seiteneingang erreichbar. Später zog unsere Frau Leinhos in das Stabsgebäude neben der Schusterei ein. Hier war ein separater Bereich der Dienstleister wie Post, Schusterei, Friseur, Telefonzentrale mit eigenem Zugang geschaffen worden.

Frau Leinhos frisierte nicht nur unsere Armeeangehörigen, sondern auch unsere Zivilbeschäftigten. Insbesondere die Frauen nahmen ihre Dienste gern in Anspruch. Durch die Abtrennung des Dienstleistungssektors vom militärischen Dienstbereich, war es möglich, das unsere Ehefrauen und Kinder ebenfalls die Außenstelle der PGH „Modischer Charme“ aufsuchten. Auf Grund der relativen Abgelegenheit unserer Wohnsiedlung vom Stadtzentrum und der anfangs bescheidenen Nahverkehrsverbindungen, wurde dieses Angebot gerne wahrgenommen. Deshalb war und ist Heidi Leinhos nicht nur uns Armeean- sondern auch unseren Familienangehörigen bekannt. Dies hatte einen nicht unbedeutenden Nebeneffekt. Die Friseurstube entwickelte sich als Nachrichtenaustauschzentrale. Wenn Du wissen wolltest, was es im Regiment oder in der Wohnsiedlung Neues gab, bist Du zum Friseur gegangen.

 

 

 

Unbedingt sollte man sich einmal die damaligen Preise anschauen. Der Salon im Panzerregiment gehörte zur Preisklasse 3. Ein Haarschnitt kostete 0,80 M. Eine Kopfwäsche 0,70 M und ein Scherennasshaarschnitt 4,20 M. Von solchen Preisen können wir heute nur noch träumen.